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Mercosur – Brücke zwischen Wirtschaft und Umwelt

Mercosur kann nicht nur Handel, sondern auch Energiewende bedeuten. Sorge um Rindfleisch unberechtigt.

oecolution austria

02.10.2025

5 min

Wettbewerbsfähigkeit
Klimapolitik

Das geplante Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Besonders in Österreich prägt die Angst vor billigem Rindfleisch die öffentliche Debatte. Doch bei näherer Betrachtung der Fakten zeigt sich: Die befürchtete „Flut an Billigfleisch“ bleibt aus. Im Abkommen ist eindeutig geregelt, dass im Endausbau jährlich maximal 54.450 Tonnen frisches oder gekühltes sowie 44.550 Tonnen gefrorenes Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten importiert werden. Realistisch ist laut Studien des irischen Agrarökonomen Alan Matthews jedoch, dass maximal 9.400 Tonnen an frischem Fleisch und 40.550 Tonnen gefrorenem Fleisch den europäischen Markt erreichen – nicht einmal 0,8 % der jährlichen EU-Produktion von 6,58 Millionen Tonnen.


Auch im Vergleich zum bereits stattfindenden Handel mit Rindfleisch spielen die Mercosur-Mengen keine große Rolle. Im Vorjahr haben die EU-Bauern 1,1 Millionen Tonnen Rindfleisch exportiert, umgekehrt wurden lediglich gut 300.000 Tonnen importiert. In Österreich werden pro Jahr rund 203.500 Tonnen Rindfleisch erzeugt.


Die Folgen für die Märkte sind gering: Selbst, wenn alle Kontingente ausgeschöpft werden, erwartet die EU-Kommission einen Rückgang der Erzeugerpreise von höchstens zwei Prozent. Das entspricht in Österreich einer Senkung des Richtpreises von 6,47 auf 6,34 Euro pro Kilogramm. Zum Vergleich: Seit 2020 sind die Rindfleischpreise im EU-Schnitt um 85 %, in Österreich um 74 % gestiegen – während die Inflation nur 29 % betrug. Matthews beziffert den möglichen Umsatzverlust für Österreichs Bauern mit 20 Millionen Euro, bei einem Gesamtumsatz von 942 Millionen Euro im Jahr 2024.


Sollte es dennoch zu Problemen kommen, kann die EU innerhalb von drei Wochen Importstopps verhängen. Außerdem steht ein Krisenfonds von 1 Milliarde Euro bereit, um Landwirte abzusichern.


Starker Umweltschutz, Standards bleiben erhalten

Das Abkommen eröffnet Chancen, die gerade für Umwelt und Klima entscheidend sein können. So setzt das Freihandelsabkommen die südamerikanischen Partnerstaaten unter Druck, ihre Klimaziele ernst zu nehmen. Sie verpflichten sich, das Pariser Abkommen einzuhalten und bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu gehört ein verstärktes Vorgehen gegen illegale Regenwaldrodungen sowie die nachhaltige Nutzung der Wälder. Gleichzeitig bleiben die strengen Umweltstandards der EU unangetastet – jedes Mitgliedsland entscheidet weiterhin selbst, welche Produkte zugelassen werden. Die Kritik der Klimaaktivisten kann Christian Tesch, Geschäftsführer der Klima-NGO oecolution, nicht nachvollziehen: “Wenn Klimaaktivisten gegen Freihandel wettern, dann zeigen sie, dass es ihnen in Wahrheit nicht um Klimaschutz, sondern um Wohlstandsverlust geht. Die De-Growth-Ideologie schadet dem Klimaschutz.”


Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen die Produktionsstandards. Tatsächlich entscheiden die Mercosur-Staaten selbst über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika, und viele dort zugelassene Stoffe sind in Europa verboten. Doch entscheidend ist, dass nur Produkte eingeführt werden dürfen, die die strengen EU-Vorgaben erfüllen. Hormonbehandeltes Fleisch bleibt ebenso verboten wie Lebensmittel, die nicht den Grenzwerten für Pestizide entsprechen. Zudem dürfen nur von der EU zugelassene Betriebe exportieren, die regelmäßig kontrolliert werden. Das Abkommen bestätigt ausdrücklich das Vorsorgeprinzip, das der EU das Recht gibt, Importe jederzeit einzuschränken, wenn Risiken für Umwelt oder Gesundheit bestehen.


Wirtschaftliche Impulse

Auch wirtschaftlich sind Impulse zu erwarten. Die London School of Economics prognostiziert für die EU ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,1 Prozent, was für Österreich einem Plus von rund 500 Millionen Euro entspricht. Für zahlreiche Exportprodukte wie Wein, Whiskey, Schokolade oder Käse fallen hohe Zölle weg, während umgekehrt rund 350 geografische Herkunftsbezeichnungen aus der EU in den Mercosur-Staaten geschützt werden – darunter steirisches Kürbiskernöl, Tiroler Speck oder Vorarlberger Bergkäse.


„Mercosur stärkt Klimaschutz und bringt Wohlstand - für Europa und Südamerika“, so Christian Tesch. Das Abkommen ist ein politisches Instrument, das Klimaschutz in Südamerika verbindlicher macht, Europas Wirtschaft neue Märkte eröffnet und die Standards der EU unangetastet lässt. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden: „Wer faire Handelsabkommen mit klaren Klimaauflagen verhindert, öffnet Tür und Tor für Abkommen ohne Umweltstandards – etwa durch China oder Russland“, schließt Tesch ab. 


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