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Regierungsprogramm im Chancen-Check

Welche Chancen für zukunftsgerichtete Energiepolitik, effizienten Klimaschutz und wirksame Klimawandelanpassung stecken wirklich im neuen Regierungsprogramm? Der Chancen-Check von oecolution austria zeigt, was besser werden kann und muss.

oecolution austria

06.04.2025

5 min

Analyse
Klimapolitik

Ehrlichkeit bei Zielen statt Illusionen und Gold Plating, Technologieoffenheit statt Dogmatismus, Klimaschutz ohne Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit: Die großen Anforderungen an eine künftige, realistische und wirksame Klima- und Energiepolitik haben die

Fachleute von oecolution austria klar definiert (s. letzte Ausgabe von oepuls unter https://jetzt.oecolution.at/oepuls-12025). Ihre nun vorliegende Detailanalyse des neuen Regierungsprogramms zeigt, wo die konkreten Chancen liegen.


Bessere Leistbarkeit von Energie

Das Regierungsprogramm stellt die Leistbarkeit von Energie klar in den Mittelpunkt. Energie wird als Grundbedürfnis definiert, das vor „unerwarteten Preissteigerungen“ geschützt werden soll. Dafür sind eine Reihe von unterschiedlichen Maßnahmen geplant, welche von Markteingriffen bis zur Förderung von Wettbewerb reichen.


Einer der Hebel ist das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (EIWG): Hier sollen eine praxistaugliche Lösung für Grund- und Ersatzversorgung für Unternehmen gefunden und ein Sozialtarif geschaffen werden, während gleichzeitig Rechtssicherheit bei Preisanpassungen erreicht werden soll. Die Vereinfachung der Rahmenbedingungen von Energiegemeinschaften sowie weitere Maßnahmen wie Aggregierungsverträge oder Power Purchase Agreements sollen sowohl bei Unternehmen als auch bei Haushaltskund:innen für niedrigere Preise sorgen. Zudem ist die Entwicklung eines „Energie-Krisenmechanismus“ für Strom, Gas und Wärme geplant, um im erneuten Krisenfall leistbare und wettbewerbsfähige Strom- und Gaspreise auf „Basis der europäischen Rechtslage“ sicherzustellen.


Langfristige Versorgungssicherheit

Beim entscheidenden Thema Versorgungssicherheit will die Regierung neue Akzente setzen: Angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre sollen das Energielenkungsgesetz sowie die Beibehaltung der strategischen Gasreserve evaluiert werden. Darüber hinaus plant die Regierung die Erarbeitung einer Kraftwerkstrategie,um langfristige Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Außerdem sollen Diversifizierung der Gasversorgung sowie der beschleunigte Ausbau von Erneuerbaren die systemische Resilienz erhöhen.


Fokus auf den Standort

„Maßnahmen für leistbare, konkurrenzfähige und stabile Energiepreise“ werden auch als konjunkturbelebende Impulse für den Wirtschaftsstandort genannt. Gleichzeitig wird die Einsetzung einer Expert:innengruppe zu Energiepreisen angekündigt. Auch in anderen Kapiteln des Programms wird die „Schwerpunktsetzung zur Senkung von Energiekosten“ betont. Allerdings gilt: Der Spielraum ist durch die angespannte Budgetsituation begrenzt.


Neue Förderpolitik

Beim erforderlichen Paradigmenwechsel in der Förderpolitik bleibt das Programm die konkreten Details schuldig. Schon jetzt ist klar: Die angekündigten Vorhaben einer „Evaluierung“ und „Redimensionierung“ von Förderungen könnten in einigen Bereichen im Konflikt mit dem Förderbedarf der Energiewende stehen. Die Regierung hat sich jedenfalls – entgegen vielfacher Annahmen – nicht vom politischen Ziel der Klimaneutralität 2040 verabschiedet. Es soll weiterhin der klimapolitische Referenzrahmen bleiben.


Konkrete Maßnahmen

Positiv aus oecolution-Sicht ist, dass das Regierungsprogramm in einigen Bereichen sehr konkrete Maßnahmen vorsieht, etwa für Geothermie oder die Verfahrensbeschleunigung für Erneuerbare. Diese Maßnahmen werden zur Umsetzung der Energiewende und zur langfristigen Kostensenkung beitragen. Bei Themen wie Wasserstoff oder Infrastrukturausbau muss die Regierung zweifellos einen Balanceakt zwischen Sparzwang und notwendigen raschen Investitionen meistern.


Dekarbonisierung der Wärmeversorgung

Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung bleibt ein Schwerpunkt und soll durch die Steigerung der Sanierung und Heizungsumstellung erreicht werden. Dafür setzt die neue Bundesregierung auf einen Maßnahmenmix. Zunächst ist es Ziel, die Planungen der Infrastruktur auf übergeordneter Ebene stärker zu digitalisieren, alle privaten und öffentlichen Projekte zu erfassen und in einem gesamthaften Infrastrukturplan zur effizienten Planungeinzubetten. Auch soll die kommunale Wärmeplanung gestärkt und dafür auch die Abstimmung mit lokalen Gebietskörperschaften verbessert werden. Einen wesentlichen Beitrag soll die Steigerung der Energieeffizienz zur Dekarbonisierung der Gebäude leisten. Geothermie wird eine wichtige Rolle für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung von Städten darstellen. Vor allem kann sie helfen, die Wärmeversorgung preislich unabhängig vom volatilen Gasmarkt zu machen, so die oecolution-Bewertung.


Netze und Speicher

Der Netzausbau ist entscheidend für den Erfolg der Energiewende, aber auch einer jener Bereiche, wo sich die neue Regierung im Spannungsfeld zwischen notwendigen Investitionen, Sparzwang und Wunsch nach niedrigen Preisen bewegt. Die Maßnahmen im Programm versuchen, für diese schwierige Situation Lösungen zu finden: Um Kosten bei Endverbraucher:innen zu senken, sollen die Netztarife so angepasst werden, dass netzdienliches Verhalten belohnt und verursachergerechte Kostenverteilung gestärkt wird. Der Einsatz von Speichern soll durch Reduktion von Netzgebühren gefördert werden, während eine Spitzenkappung von neuem Wind und PV-Anlagen zusätzlich zur Systemstabilität und Kostenreduktion beitragen soll. Weitere Maßnahmen zur Netzkostensenkung sind die Verlängerung der Abschreibungsdauer von Ausbaukosten über öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten, die Prüfung des Einsatzes von PPPs und europäischen Finanz- & Fördermitteln, Zinsvorteile, Digitalisierungsmaßnahmen sowie eine freiwillige gemeinsame Beschaffungsplattform für Energiewendekomponenten (z. B. Teile von Transformatoren).


Kohlenstoffmanagement

Um die Emissionen langfristig zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu sichern, setzt die Regierung verstärkt auf ein strategisches Kohlenstoffmanagement. Insbesondere für Hard-to-abate Industrien sollen CarbonCapture and Storage (CCS) sowie Carbon Capture and Utilization (CCU) in die gesamtstaatliche Planung integriert werden. Ziel ist es, Österreich mit europäischen Entwicklungen kompatibel zu machen und gleichzeitig Innovationen in der CO2-Abscheidung und -Nutzung zu fördern. Der Ausbau einer CO2-Transport- und Speicherinfrastruktur soll forciert werden, um eine sichere und effiziente Nutzung dieser Technologien zu gewährleisten.


Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft

Wasserstoff soll als Energieträger eine Schlüsselrolle im klimaneutralen Energiesystem der Zukunft einnehmen. Tatsache ist: Die Fortschritte in Österreich waren bisher überschaubar. Um dem entgegenzuwirken, plant die neue Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen: Vor allem sollen rechtliche Rahmenbedingungen für ein „adäquat dimensioniertes“ Wasserstoffstart und -kernnetz geschaffen, die EU-Richtline fürden Gas- und Wasserstoffbinnenmarkt schnell umgesetzt sowie ein Regulierungsrahmen für Marktteilnehmer:innen geschaffen werden.


Bilanz von oecolution:

Das Regierungsprogramm ist solide und setzt an wichtigen Hebeln an. Leistbare, stabile Energiepreise sind im Verbund mit weniger Bürokratie, gezielter Förderung von Schlüsseltechnologien und der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren wichtige Erfolgsvoraussetzungen für Standort und Energiewende. Gleichzeitig werden Netzausbau und Systemstabilität ebenso angegangen wie die Senkung der Netzkosten und die gezielte Entlastung von Haushalten und Unternehmen. Entscheidend ist, dass die im Regierungsprogramm verankerten Maßnahmen zügig umgesetzt werden, um den Wirtschaftsstandort zu stärken und die Energiewende voranzutreiben.

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