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Kommentar: Wissenschaft statt Aktivistenschaft

Wissenschaft und Aktivismus müssen gerade im Interesse des Status von Wissenschaft und Forschung in unserer Gesellschaft klar getrennt sein.

oecolution austria

18.01.2023

4 min

Meinung
Klimapolitik

In Ihrem Gastkommentar in der WIENER ZEITUNG plädiert oecolution-Geschäftsführerin Elisabeth Zehetner für eine klare Trennung von Wissenschaft und Aktivismus.


Wissenschaftsskepsis ist ein objektives Problem für unsere Zukunft. Wo den Erkenntnissen von Wissenschaft und Forschung misstraut wird, bleiben Innovationskraft und Fortschritt auf der Strecke. Jüngst hat eine IHS-Studie im Auftrag des Wissenschaftsministeriums die Wissenschaftsskepsis in Österreich beforscht und ist u.a. zum Ergebnis gekommen, dass das Desinteresse an Wissenschaft eine weitere große Herausforderung ist.


Um den Stellenwert von Wissenschaft, Forschung und Innovation in unserer Gesellschaft zu erhöhen, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Eine davon ist die Vertrauensfrage. Können die Menschen der Unabhängigkeit und Objektivität von Wissenschaftlern vertrauen – oder wird die Wissenschaft von Aktivist:innen instrumentalisiert?


Letzteres ist mit Blick auf das Klimathema verstärkt zu beobachten – nicht nur in Österreich. So fesselte sich bereits letztes Jahr der amerikanische Klimawissenschafter Peter Kalmus an die Eingangstüren einer US-Bank, weil das Geldhaus neue fossile Projekte finanziert. Er sei nämlich bereit „ein Risiko für diesen großartigen Planeten einzugehen.“ Hinter den Klima- und Klebeblockaden der „Letzten Generation“ in Wien steht der Politikwissenschafter Reinhard Steurer von der Boku Wien. Für ihn handelt es sich bei den Klebeblockaden "um eine angemessene Notwehr-Reaktion von jenen, die schon heute wissen, wie groß die Katastrophe in wenigen Jahren werden wird, wenn sich unser Kurs nicht grundlegend ändert.“


Nun sind moralische Selbsterhöhung und Selbstinszenierung als „Erleuchtete“ das Eine. Das andere, weitaus größere Problem ist freilich, dass derartiger Aktivismus im Gewand der Wissenschaft das – ohnehin prekäre - Vertrauen in Wissenschaft weiter unterminieren kann.


Wissenschaft und Aktivismus müssen gerade im Interesse des Status von Wissenschaft und Forschung in unserer Gesellschaft klar getrennt und sichtbar ausgewiesen sein. Dass sich der Aktivismus gerne mit wissenschaftlichen Federn schmückt, ist wenig überraschend, weil sich Aktivist:innen dadurch mehr Legitimation gerade für umstrittene Aktionen versprechen. Seriöse Wissenschaft, die ihren eigenen Stellenwert in der Gesellschaft stärken und ausbauen will, sollte sich davon aber klar distanzieren.

Die klare Trennung ist auch deshalb so wichtig, um die nötige Akzeptanz für zusätzliche Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Innovation im Land zu sichern. Wir brauchen Wissenschaft und Innovationskraft mehr denn je, um Technologien und Lösungen zu entwickeln, die unser Klima weltweit und unser Lebensmodell in Europa wirklich schützen und fit für die Zukunft machen. Denn so wirkt Wissenschaft am besten.


Das sollten wohl auch jene weiteren Wissenschafterinnen und Wissenschafter der zur Kenntnis nehmen, die sich unter dem Motto #WirAlleSindDieLetzteGeneration mit den Blockade- und Klebe-Aktionen der „Letzten Generation“ solidarisieren – und weitere Berufsgruppen auffordern, es ihnen gleich zu tun. Die in der Solidaritätsadresse artikulierten Phrasen wie „Ziviler Widerstand ist der unüberhörbare Feueralarm für eine schlafwandelnde Gesellschaft in einer brennenden Welt“ sind leider nur leere Phrasen. Auf diesem Niveau ist weder vernünftigem Klimaschutz noch der Akzeptanz von Wissenschaft und Forschung geholfen. Beides brauchen wir dringender denn je.

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