Wir klagen uns die Welt, bis sie uns gefällt

Klagen sind keine Antwort auf die Herausforderungen der Generationengerechtigkeit.

oecolution austria

28.02.2023

5 min

Der Gastkommentar von oecolution-Geschäftsführerin Elisabeth Zehetner ist in gekürzter Form in der Tageszeitung "Die Presse" erschienen.


Warum klagen wir nicht im Namen der Kinder deren Recht auf künftigen Wohlstand ein? Auf einen wettbewerbsfähigen Standort, der diesen Wohlstand sichert? Oder auf ein zukunftsfähiges Bildungs-, Gesundheits- und Pensionssystem? Diese Fragen muss sich stellen, wer sich mit der neuen Klimaklage von Fridays For Future und CLAW beschäftigt. Denn damit wollen die Umweltaktivist:innen nach eigenen Angaben „Generationengerechtigkeit schützen“ und ein Recht auf aktiven Schutz der Kinder vor den Folgen der Klimakrise erwirken. Ein Klimaschutzgesetz, das keine Reduktionsziele und Verbindlichkeiten kenne, verletze diese Verfassungsrechte, behaupten die Proponent:innen der Klage.


Über das implizite Motto „Ich klage mir die Welt, wie bzw. bis sie mir gefällt“ und die Instrumentalisierung des Rechtsstaats für politische Zwecke mag man geteilter Meinung sein. Dass eine Vertrauensanwältin der Grünen die Klage eingebracht hat, macht deutlich, dass die Kinderrechte hier eher nur ein Mittel zum (partei-)politischen Zweck sind. Mit umfassender Generationengerechtigkeit hat diese Klage ebenso wenig zu tun, wie die Aktivitäten der sogenannten „Letzten Generation“. In beiden Fällen schwang und schwingt schließlich immer mit, dass die Klimakrise letztlich ein Generationenkonflikt sei. Klimafeindliche, SUV-fahrende und somit gegenüber der jungen Generation ungerechte Ältere gegen klimabewusste, protestierende und daher generationengerechte Junge: So lautet in dieser Lesart der geschürte Generationenkonflikt.


Die apokalyptisch argumentierenden Klimaaktivist:innen sind jedenfalls sicher keine Bewegung für mehr Generationengerechtigkeit. Denn sie ignorieren, dass die Zukunft mehr Dimensionen hat als nur die Erreichung des 1,5 Grad-Ziels. Generationengerechtigkeit ist aber mehr – übrigens auch mit Blick auf die Erreichung klimapolitischer Ziele:


  1. Die künftigen Generationen sollen von einer möglichst intakten Umwelt ebenso profitieren können, wie von breitem Wohlstand und sozialer Sicherheit. Die beiden letzteren Themen brauchen Wertschöpfung und wirtschaftliche Stärke. Das bedeutet auch, dass wir wettbewerbsfähig gegenüber jenen Ländern sein müssen, die ohne Sozial- und Umweltstandards wirtschaften. Wer sich nur auf das ökologische Ziel reduziert und die anderen Ziele vernachlässigt, handelt nicht generationengerecht. Eine ökologisch korrekte, verarmte Subsistenzwirtschaft ist wohl kaum die Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der die Generation Z und ihre Nachfolger:innen ihre Ansprüche an Zukunft verwirklicht sieht.
  2. Energiewende und Klimaschutz erfordern in den nächsten Jahren in Europa massive Investitionen im mehrstelligen Milliardenbereich - jährlich. Die Europäische Kommission schätzt etwa, dass die geplante Reduktion der Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 55 % (im Vergleich zu 1990) ein Investitionsvolumen von 360 Mrd Euro pro Jahr erfordert. Diese Investitionen werden nur dann finanzierbar sein, wenn wirtschaftliche Leistungskraft und budgetäre Grundlagen gesichert sind. Ohne diese Investitionen gibt es keine generationengerechte Entwicklung.
  3. Eine dritte Dimension der Generationengerechtigkeit ist die Offenheit für Forschung und Technologien. Wir dürfen die Generationen von morgen nicht mit (Technologie-)Verboten davon abschneiden, in bestimmten Fachgebieten weiterzuforschen und klimafreundliche Innovationen zu entwickeln. Nachhaltige Generationengerechtigkeit bedeutet schließlich, die Zukunft und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten für die Jungen offenzuhalten – und nicht einseitig zu limitieren.


Generationengerechtigkeit ist und bleibt eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Anliegen für die Zukunft. Es ist kein Thema für einseitige Klagen, sondern braucht aktive politische Gestaltung. Und vor allem einen Zugang, der wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele gleichrangig verfolgt. Denn das eine ist ohne das andere nicht möglich. Eine gute Zukunft für unsere Kinder lässt sich nicht erklagen, sondern nur gemeinsam erarbeiten.  

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