Wie Wissenschaftsjournalismus den Klimadiskurs prägt
Kritische Stimmen, wissenschaftliche Präzision und die Gefahr der Politisierung – der renommierte Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski über die Herausforderungen im Klimajournalismus
Kritische Stimmen, wissenschaftliche Präzision und die Gefahr der Politisierung – der renommierte Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski über die Herausforderungen im Klimajournalismus
oecolution austria
26.02.2025
4 min
Wissenschaftsjournalismus ist heute herausfordernder denn je. Zwischen wissenschaftlicher Präzision, öffentlichem Interesse und politischer Einflussnahme entsteht ein Spannungsfeld, das Journalistinnen und Journalisten vor große Aufgaben stellt. Im aktuellen Podcast von oeco? LOGISCH! spricht die Geschäftsführerin von oecolution austria, Elisabeth Zehetner, mit Axel Bojanowski, Chefreporter Wissenschaft bei Welt und einer der bekanntesten Wissenschaftsjournalisten im deutschsprachigen Raum.
„Du sollst nicht langweilen“ – Die Grundregel des Wissenschaftsjournalismus
Wie gelingt es, wissenschaftliche Komplexität verständlich und spannend zu vermitteln? Bojanowski hat eine klare Antwort: “Wichtigste Regel: Du sollst nicht langweilen. Wenn man langweilig schreibt, dann kann man es auch lassen, weil das liest dann ja keiner.”
Ein zentrales Problem sieht er darin, dass viele Journalistinnen und Journalisten nicht für das breite Publikum schreiben, sondern für ihre Peer-Group – also für Kolleginnen und Kollegen oder Fachleute. Das führe dazu, dass wissenschaftliche Erkenntnisse oft nicht die breite Öffentlichkeit erreichen. Dabei sei es die Aufgabe des Wissenschaftsjournalismus, Wissen verständlich zu vermitteln, Widersprüche und Unsicherheiten aufzuzeigen und Debatten anzustoßen.
“Man muss präzise sein, aber auch eine interessante Sprache benutzen – präzise und gleichzeitig bunt.”
Zwischen Aktivismus und Journalismus – eine gefährliche Gratwanderung?
Besorgt zeigt sich Bojanowski über die zunehmende Homogenisierung im Wissenschaftsjournalismus, besonders in der Klimaberichterstattung. Während es früher mehr Wissenschaftsexperten im Journalismus gab, seien diese zunehmend verschwunden und durch Aktivisten ersetzt worden: “Statt Experten haben wir jetzt viel Aktivisten, und das trägt nicht – wie man meinen könnte – zu einem besseren Verständnis des Klimaproblems bei, sondern im Gegenteil: Es schreckt Leute ab.”
Ein großes Problem sieht er in der Politisierung des Themas. Die Klimaberichterstattung werde oft moralisch aufgeladen, anstatt nüchtern wissenschaftlich betrachtet. Das führe dazu, dass nur noch jene angesprochen würden, die ohnehin schon überzeugt seien – während kritische oder unentschlossene Leserinnen und Leser sich abwenden. “Es hat sich eingebürgert, das Thema in Schwarz und Weiß einzuteilen – in gut und böse. Aber das hilft überhaupt nicht, um den Leuten wirklich zu erklären, was für ein Problem wir da haben.”
Netzwerke für Klimajournalismus – Chance oder Risiko?
In Österreich und Deutschland gibt es mittlerweile Netzwerke für Klimajournalismus, die Leitlinien für die Berichterstattung aufstellen. Doch für Bojanowski verstärken solche Netzwerke die Gefahr der Einseitigkeit:
“Da wird dann gesagt: ‘Beim Klimawandel sind wir nicht mehr neutral.’ Was soll das denn heißen? Klimawandel ist genauso von politischen Interessen durchdrungen wie andere Themen. Da muss man immer kritisch bleiben.”
Er sieht in dieser Entwicklung eine Verstärkung der Polarisierung und warnt davor, dass dadurch die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung leidet.
Der Backlash: Vom Aktivismus zur Skepsis?
Bojanowski beobachtet, dass sich das Pendel nun in die entgegengesetzte Richtung bewegt: “Jetzt kann man wieder merken, dass die Skeptiker Oberhand bekommen. Das sehe ich auch mit Bedenken. Denn wenn Aktivismus übertrieben wird, kommt immer eine Gegenbewegung – und dann tauchen plötzlich wieder alte Skeptiker-Argumente auf, die wir eigentlich längst widerlegt haben.”
Er erinnert an den Spiegel-Skandal um Claas Relotius, der eine gefälschte Klimareportage veröffentlichte. Er habe damals gewarnt, dass die Geschichte nicht stimme, doch Kritik sei unerwünscht gewesen: “Wenn die Aussage stimmt – also eine schillernde Warnung vor dem Klimawandel –, dann ist es plötzlich egal, ob die Fakten stimmen. Aber auf Dauer geht das nicht gut, denn die Leute merken es.”
Das Resultat sei eine zunehmende Skepsis gegenüber Klimaberichterstattung insgesamt.
Ein Plädoyer für faktenbasierten Journalismus
Bojanowski wünscht sich eine Rückkehr zu faktenbasiertem, kritisch-analytischem Journalismus. Anstatt das Thema Klimawandel in Gut und Böse aufzuteilen, müsse man die wissenschaftlichen Grundlagen klar vermitteln und politische sowie wirtschaftliche Realitäten mitdenken.
Sein Fazit:
“Die Energiewende droht zu scheitern, weil falsch darüber berichtet wird. Klimapolitik ist ein komplexes, spieltheoretisches Problem, das weltweit gelöst werden muss – und das funktioniert nicht mit moralischen Appellen, sondern mit klaren Analysen.”
Das vollständige Gespräch gibt es in der aktuellen Folge von oeco? LOGISCH! – jetzt reinhören!
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