Der Umbau des österreichischen Energiesystems schreitet mit hohem Tempo voran. Der massive Ausbau erneuerbarer Energien sowie die dezentrale Einspeisung stellen das bestehende Stromnetz jedoch vor große Herausforderungen. Klar ist: Ohne einen umfassenden Ausbau der Netzinfrastruktur ist die Energiewende nicht zu schaffen. Wie schnell dieser Ausbau erfolgen soll, wie er finanziert werden kann und welche Auswirkungen er auf Haushalte, Unternehmen und die Volkswirtschaft hat, zeigt eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos, erstellt im Auftrag von oecolution.
Die Studie analysiert vier zentrale Themenbereiche: die nötigen Investitionskosten für den Netzausbau, die Entwicklung der Netzentgelte mit und ohne staatliche Finanzierung, die Auswirkungen auf unterschiedliche Kundengruppen sowie die gesamtwirtschaftlichen Effekte in Österreich. Zwei Szenarien werden dabei einander gegenübergestellt: Ein ambitionierter Netzausbau bis 2040 und ein gestreckter Ausbau bis 2050, der die Investitionslast über einen längeren Zeitraum verteilt.
Kosten und Finanzierung
Beide Szenarien erfordern mit rund 53,4 Milliarden Euro den gleichen Gesamtinvestitionsbedarf, doch die Verteilung der Kosten ist unterschiedlich. Ein früherer Ausbau erhöht kurzfristig die Netzentgelte, schafft jedoch schneller die notwendige Infrastruktur. Ein Ausbau bis 2050 ermöglicht hingegen eine ausgewogenere Lastverteilung, reduziert finanzielle Belastungen für Haushalte und Unternehmen und erhält zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft. Damit wird für oecolution klar: Ein gestaffelter Ausbau ist sowohl ökonomisch vernünftiger als auch sozial verträglicher.
Besonders im Fokus steht die Finanzierung. Die Studie zeigt auf, dass unterschiedliche Modelle zur Anwendung kommen können – etwa staatliche Investitionszuschüsse, die direkt entlastend wirken, aber den öffentlichen Haushalt fordern; eine Verlängerung der Abschreibungsdauer für Netzinvestitionen auf 40 Jahre; sowie Green Bonds, die mit staatlichen Garantien 2,50% Fixzinssatz ermöglichen. Ein Fördermix aus diesen Varianten erweist sich laut Analyse als effizientester Weg, mit vergleichsweise geringerer Belastung für den Staatshaushalt.
Die Auswirkungen steigender Netzentgelte sind für Kundinnen und Kunden deutlich spürbar – jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. Ein Vergleich zwischen einem Einfamilienhaushalt und der Industriesparte Maschinenbau zeigt dies deutlich. Soll das Netz schon 2040 voll ausgebaut sein, sind die Netzentgelte in der Industriesparte Maschinenbau um 15% höher als bei einer Streckung bis 2050. Bei einem Einfamilienhaushalt liegt die Differenz bei 6%. Besonders für die Industrie bedeuten höhere Netzkosten eine Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Nicht zuletzt weist die Analyse auf ein anderes, wichtiges Problem hin: den Fachkräftemangel. Der Ausbau der Netzinfrastruktur setzt voraus, dass genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht – eine Voraussetzung, die derzeit nicht überall erfüllt ist und gezielte Ausbildungs- und Fördermaßnahmen erforderlich macht. Der Wachstumsimpuls könnte durch den Netzausbau – vor allem für das Baugewerbe – wesentlich höher ausfallen.
Ausgehend von dieser Analyse schlägt oecolution einen gestreckten Netzausbau, einen Finanzierungs-Mix, den Ausbau von Speicherkapazitäten, eine faire Netzkostenverteilung und die Strompreiskompensation bis 2030 vor.
Netzausbau strecken und flexibel planen
In der Studie wurde verglichen, welchen Unterschied es im Hinblick auf die jährlichen zusätzlichen Netzkosten macht, wenn der Netzausbau bis 2040 oder bis 2050 vollzogen wird. Hält man am Plan für 2040 fest, so betragen die zusätzlichen jährlichen Netzkosten im Betrachtungsjahr 2040 rund 3,6 Milliarden Euro. Streckt man den Ausbau auf 2050 hingegen, so betragen die Netzkosten im Betrachtungsjahr 2040 „nur“ rund 2,4 Milliarden Euro. Die Streckung des Netzausbaus auf das Jahr 2050 reduziert die zusätzlichen jährlichen Netzkosten um 1,2 Milliarden Euro.
Dass eine Streckung des Netzausbaus sinnvoll ist, betont übrigens auch die Europäische Kommission in ihrem „Aktionsplan für erschwingliche Energie“.
Letztendlich muss der Netzausbau klug und flexibel geplant werden. Denn man weiß heute nicht sicher, wie das Stromnetz in den nächsten Jahrzehnten aussehen muss. Selbst die Europäische Kommission weist in ihrem Aktionsplan darauf hin, dass der künftige Anstieg des Strombedarfs ungewiss ist – und das mit guten Gründen. In Deutschland hat zu Jahresbeginn eine Studie von McKinsey für Aufsehen gesorgt. Diese kommt zum Schluss, dass der Strombedarf zukünftig weniger stark steigt, als vom deutschen Energieministerium angenommen. McKinsey meint daher, dass man beim Netzausbau drastisch sparen könnte, wenn man sich am tatsächlichen Bedarf orientiert. In Österreich ist die Prognose, dass der Strombedarf bis 2030 auf 88 TWh steigt, mit jährlichem Zuwachs. Tatsächlich liegt der Bedarf 2024 bei 64,5 TWh - ein niedrigerer Wert als 2015 (69,7 TWh). Also weit unter der Prognose - kein Wachstum, sondern sogar ein Rückgang.
Der Netzausbau braucht einen Finanzierungsmix
Den von Prognos vorgeschlagenen Fördermix hält oecolution für sinnvoll. Durch den richtigen Mix und der flexiblen Streckung des Ausbaus bis 2050 betragen die zusätzlichen jährlichen Netzkosten im Betrachtungsjahr 2040 rund 1,9 Mrd. Euro. Das ist beinahe um die Hälfte weniger als wenn der Netzausbau weder getreckt noch gefördert wird (3,6 Mrd. Euro).
Auch die Errichtung von Speicherkapazitäten senkt die Netzkosten. Die Speicher entlasten das Netz und weniger Investitionen sind notwendig. Bei der Förderung für den Ausbau erneuerbarer Energien sollten möglichst starke Anreize verankert werden, wenn möglich auch Speicher zu errichten.
Fairness bei Netzentgelten
Eine faire Verteilung der Netzkosten auf alle Nutzer ist sinnvoll und wichtig. Schließlich profitieren auch diejenigen vom Netz, die Strom einspeisen und damit – berechtigterweise – Einnahmen erzielen. Auch diese Netznutzer sollten sich an den Netzkosten beteiligen.
Außerdem sollten Haushalte und kleinere Betriebe leistungsbezogen bepreist werden -– also abhängig davon, wie stark jemand das Netz tatsächlich beansprucht. Aktuell zahlen alle Nutzer auf der Niederspannungsebene gleich viel, unabhängig davon, wie viel Strom sie beziehen. Der Ansatz von oecolution sieht vor, die Kosten nach tatsächlicher Netznutzung zu berechnen: Wer das Netz stärker nutzt, zahlt mehr; wer es weniger nutzt, zahlt weniger.
Industriestrom-Bonus bis 2030
Eine Analyse des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag von oecolution zeigt positive volkswirtschaftliche Effekte des geplanten Industriestrom-Bonus von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer. Demnach bringt die Maßnahme spürbare Vorteile für Wirtschaft und Arbeitsmarkt: Die Einführung des Industriestrom-Bonus würde die Wertschöpfung in Österreich um rund 80 Mio. Euro steigern und über 870 Arbeitsplätze absichern beziehungsweise auch schaffen. Der geplante Industriestrom-Bonus ist ein wichtiger erster Schritt. Er sollte aber unbedingt bis 2030 fortgeführt werden, wie es die EU-Kommission auch vorsieht. 15 andere Mitgliedstaaten haben die Beihilfe bis 2030 fixiert. Für Unternehmen ist Planungssicherheit enorm wichtig - sie sollten jetzt schon wissen, mit welcher Kostenstruktur sie übernächstes Jahr und die folgenden Jahre zu rechnen haben.
Außerdem hält oecolution den Vorschlag der deutschen Bundesregierung an die Europäische Kommission, die Branchen für die Strompreiskompensation auszuweiten, für unterstützenswert.
Hier ist die ganze Studie zum Nachlesen: Auswirkungen der Investitionen in die zukunftsgerichtete Netzinfrastruktur auf Wachstum und Wettbewerb