Steuern wir mit Tempo 100 auf die Klimakatastrophe zu?

Für unsere erste Podcast-Folge haben wir Jochem Marotzke, einen der führenden Experten auf dem Gebiet der Klimaforschung und Mit-Autor der Weltklimarats-Berichte (IPCC), interviewt.

oecolution austria

01.04.2023

5 min

Für unsere erste Podcast-Folge haben wir Jochem Marotzke, einen der renommiertesten, deutschen Klimatologen und Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg gewinnen können. Als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Klimaforschung und Mit-Autor der Weltklimarats-Berichte (IPCC) sorgt er mit einer Vielzahl von Forschungsarbeiten für Aufklärung zum Themenbereich Klimawandel. 


Wir haben ihn gefragt, ob die 1,5 Grad Marke des Pariser Klimaabkommens noch zu schaffen ist? Welche Rolle die immer wieder genannten Kipppunkte spielen? Und: Ob wir mit Tempo 100 auf die Klimakatastrophe zusteuern oder ob es noch Grund zur Hoffnung gibt?


Marotzke erklärt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel eindeutig sind und dass der Mensch einen Anteil an den für uns alle sichtbaren Veränderungen hat. Dass die globale Oberflächenerwärmung also um etwa 1,1 Grad höher gegenüber dem späten 19. Jahrhundert ist, ist „völlig menschengemacht“. Zurückhaltender ist er bei Veränderungen von Wetterereignissen wie Stürmen oder Dürren. „Für manche Größen sind wir absolut sicher, dass es menschengemacht ist, für andere wissen wir es schlichtweg nicht.“ Er betont, dass es immer Unsicherheiten in den wissenschaftlichen Modellen gibt, aber dass diese Unsicherheiten nicht als Ausrede verwendet werden sollten, um untätig zu bleiben.


Angesprochen auf das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens meint Marotzke, dass es ein „schwieriges Ziel“ sei. Zum einen, weil wir diese Marke in den 30er und 40er Jahren knacken würden und sich dann die Frage stelle, ob wir sie auch wieder senken können. Dass politische Maßnahmen Schritt halten können, sehe er jedenfalls nicht. 


Klimapolitik sei generell ein Thema, das die gesamte Gesellschaft betrifft und jeder und jede einzelne von uns trage Verantwortung, um etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Für jedes halbe Grad weitere Erwärmung etwa bekämen wir ein deutlich wahrnehmbareres Risiko durch Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen, so Marotzke. Das gehe auch aus dem IPCC-Bericht deutlich hervor. „Je wärmer es wird, desto gefährlicher wird die Welt.“ Die Frage, ab wann wir uns fürchten müssen, könne wissenschaftlich allerdings nicht beantwortet werden. „Dass das Risiko/die Gefährdung generell mit höheren Temperaturen zunimmt, kann man sagen. Aber, ab wann es nicht mehr akzeptabel ist, ist individuell zu entscheiden.“ Er persönlich empfinde aber keine Furcht, er empfinde Sorge – unter anderem auch vor politischen Instabilitäten, die durch den Klimawandel eintreten könnten. 


Marotzke macht auch deutlich, dass es für existenzielle Ängste keine Gründe gebe: „Aussagen wie, in 20 Jahren oder vielleicht in 30 Jahren werden ich oder sehr viele Menschen überhaupt keine Überlebenschancen mehr haben, machen mich fassungslos. Sorge ja, und ja, wir müssen handeln, aber diese existenzielle Angst ist ungerechtfertigt. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Klimawandel in den nächsten Jahren die Hälfte der Weltbevölkerung ausrotten würde. Ich würde mir wünschen, dass in der Debatte etwas mehr Sorgen und Entschlossenheit, etwas gegen den Klimawandel zu tun, vorherrschen würde.“


Das ganze Gespräch gibt es hier.


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